Ungewöhnliche Methode: mehr Ausdauer durch kurzes Abtauchen?
Stell dir vor, du tauchst vor dem Training kurz den Kopf ins kalte Wasser, hältst die Luft an – und dein Körper reagiert wie auf Doping. Klingt absurd? Ist es auch – doch genau das bestätigt eine neue Studie!
Einmal Kopf unter Wasser – und du trainierst wie ein Blutdoper?
Blutdoping – ein Begriff, der eher nach Skandalen als nach seriösem Training klingt. Doch eine neue Studie [1] wirft Licht auf eine Methode, die kurzfristig ähnliche Effekte haben könnte – und das ganz legal: Kurzes Eintauchen des Kopfes in kaltes Wasser. Klingt skurril? Ist es auch, aber die Ergebnisse zeigen: Die Wirkung ist real.
Das Kernprinzip: Der Mammalian Diving Reflex
Der Mammalian Diving Reflex ist ein uralter Überlebensmechanismus, der bei Säugetieren – und damit auch bei uns Menschen – aktiviert wird, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: Kaltes Wasser muss das Gesicht berühren, insbesondere die Region um Nase und Mund, während die Luft angehalten wird. Erst diese Kombination versetzt den Körper in einen „Notfallmodus“, der erstaunliche Prozesse auslöst:
- Herzfrequenz sinkt: Der Körper schaltet in den Energiesparmodus, um Sauerstoff zu schonen.
- Blutfluss wird umgeleitet: Lebenswichtige Organe wie das Gehirn und das Herz werden bevorzugt mit Sauerstoff versorgt.
- Milzkontraktion: Die Milz entlässt zusätzliche rote Blutkörperchen, wodurch mehr Sauerstoff im Blut transportiert werden kann.
Dieser Reflex wird also nicht durch bloßes Gesichtwaschen mit kaltem Wasser ausgelöst. Es braucht die richtige Kombination aus Kälte und Luftanhalten, um den Überlebensmodus des Körpers zu aktivieren – und genau das macht diese Methode so außergewöhnlich.
Das Experiment: Kaltes Wasser für mehr Power
In der Studie mussten 17 gut trainierte Teilnehmer fünfmal hintereinander maximale Luftanhalte-Manöver durchführen, während ihr Gesicht in 10 °C kaltem Wasser eingetaucht war. Die Luft wurde dabei so lange wie möglich angehalten. Direkt danach absolvierten sie einen Belastungstest auf einem motorisierten Laufband, um die akuten Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit zu analysieren.
Die Ergebnisse im Vergleich zur Kontrollgruppe (ohne Luftanhalte-Manöver) waren eindeutig:
- Längere Belastungszeit: Die Teilnehmer in der Testgruppe konnten ihre Zeit bis zur Erschöpfung signifikant verlängern.
- Verbesserte Sauerstoffnutzung: Es wurde ein Anstieg von Hämatokrit, Hämoglobin und der roten Blutkörperchen gemessen, die für den Sauerstofftransport entscheidend sind.
- Spätere Erschöpfung: Die Übergangsphase vom aeroben zum anaeroben Stoffwechsel wurde hinausgezögert, was die Teilnehmer länger leistungsfähig hielt.
- Weniger Laktatbildung: Der Laktatspiegel im Blut war bei den Testpersonen niedriger, was auf eine effizientere Energienutzung hinweist.
Die Studie zeigt also, dass dieser Ansatz kurzfristig leistungssteigernd wirken kann, indem er den Sauerstofftransport und die Effizienz des Körpers optimiert.
Doch all das wirft eine entscheidende Frage auf: Ist diese Methode im Alltag überhaupt praktikabel – und vor allem sicher?
Grenzen und Risiken: Keine Atemtechnik, sondern ein Reflex
Eines vorweg: Das Eintauchen des Kopfes ins kalte Wasser ist keine Atemtechnik im klassischen Sinne. Es handelt sich um eine Reflexreaktion, die nur durch die Kälte und das Luftanhalten ausgelöst wird.
Und seien wir ehrlich: Wer hat schon Lust, vor dem Training eine Schüssel mit eiskaltem Wasser bereitzustellen? Dazu kommt, dass das Untertauchen ohne Begleitung riskant sein kann. Langes Luftanhalten und Kältebelastung sind nichts für Ungeübte – und definitiv keine Routine, die du ohne Aufsicht ausprobieren solltest.
Was bedeutet das für dein Training?
Auch wenn das Abtauchen ins kalte Wasser für die meisten nicht praktikabel ist, kannst du von ähnlichen Prinzipien profitieren – und das ganz ohne extreme Methoden. Hier sind ein paar praxistaugliche Alternativen und Hinweise:
- Atemübungen statt Abtauchen: Statt kaltem Wasser kannst du mit bewussten Atempausen experimentieren. Ziel ist es, deine Herzfrequenz zu kontrollieren und den Sauerstoffverbrauch effizienter zu gestalten.
- Moderate Herangehensweise: Die Studie zeigt, dass wiederholte maximale Luftanhalte-Manöver Wirkung zeigen können. Ob kürzere Zeiten ausreichen, bleibt unklar – es lohnt sich aber, sich schrittweise an Atemtechniken heranzutasten, statt gleich an die Grenze zu gehen.
- Sicherheit steht an erster Stelle: Längeres Luftanhalten kann riskant sein, besonders bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder anderen gesundheitlichen Einschränkungen. Sprich vor dem Experimentieren mit einem Arzt und achte darauf, solche Übungen nie allein durchzuführen.
- Fokus auf das Gesamtbild: Auch wenn kurzfristig mehr rote Blutkörperchen helfen, sind Regeneration, Schlaf und eine ausgewogene Ernährung nach wie vor essenziell für nachhaltige Leistungssteigerung.
Fazit: Spannende Theorie, wenig Praxisnutzen
Die Idee, durch kurzes Abtauchen die Ausdauer zu steigern, ist wissenschaftlich interessant, aber in der Praxis schwer umsetzbar. Die Methode ist speziell und bringt unnötige Risiken mit sich, besonders ohne professionelle Anleitung.
Dennoch zeigt sie eindrucksvoll, wie viel Potenzial in unserem Körper steckt – selbst oder gerade unter außergewöhnlichen Bedingungen. Wer daraus etwas für sein Training mitnimmt, sollte den Fokus auf sichere und alltagstaugliche Alternativen wie Atem- und Regenerationstechniken legen. Denn echte Fortschritte entstehen nicht durch Experimente, sondern durch ein durchdachtes Zusammenspiel aus Training, Regeneration und einer gesunden Lebensweise.
Quellen
- [1] Christoulas Y, Bourdas DI, Michailidis Y, Mavrovouniotis I, Metaxas TI, Christoulas K, Koutlianos NA. Acute ergogenic effects of repetitive maximal breath-holding maneuvers on hematological and physiological responses: a graded exercise test investigation. Eur J Appl Physiol. 2024 Oct 14. doi: 10.1007/s00421-024-05624-x. Epub ahead of print. PMID: 39400736.
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Redaktioneller Hinweis: Wir haben am zum ersten mal über »Ungewöhnliche Methode: mehr Ausdauer durch kurzes Abtauchen?« berichtet und den Artikel inhaltlich zuletzt am 23. Januar 2025 überarbeitet.
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